Menschlichkeit im Übermaß ist des Politikers größter Schatz

 Es war einmal eine junge Frau, die wollte gerne Kanzlerin werden. Doch auf ihrem Weg dorthin musste sie feststellen, dass ein paar böse konservative Parteijungs den Beschluss gefasst hatten, es ihr so schwer wie möglich zu machen. Man könnte meinen mit politischen Inhalten, sie entschieden sich doch gegen gängige und altbewährte Möglichkeiten (wider dem Konservatismus) und probierten sich in neuen Methoden aus. Und so einige Medien machten gerne mit und sprangen auf den Baerbock-Bash-Zug mit auf, weil es Spaß machte und erhöhte Klickzahlen und Verkäufe versprach.


Kaum begann das Lebenslaufthema, sich endlich dem Ende zu neigen, schon kam CDU Generalsekretär Paul Zimiak mit dem nächsten Eklat um die Ecke. In einem Twitterbeitrag beschuldigte er die Publizistin Carolin Emcke des Antisemitismus in einer Gastrede beim Parteitag der Grünen und forderte die Kanzlerkandidatin dazu auf, sich davon klar zu distanzieren. Dabei hatte Emcke lediglich Jüd:innen gemeinsam mit Virolog:innen und auch Feminist:innen als Gruppen herausgestellt, denen massiv Hass von Rechts entgegen schlägt.

Die Strategie, die dahinter steckt, lässt sich ganz einfach entlarven. Trotz deutlicher thematischer Veränderungen seit der Gründung, verfügen die Grünen immer noch über eine Wählerschaft, die ganz klar für bestimmte gesellschaftliche Ideale stehen. Man kann darüber diskutieren, ob die Partei im Moment wirklich noch eine linke Partei ist oder ob sie nicht inzwischen deutlich in die Mitte gerückt sind, aber zwei Ideale müssen sie stets vertreten und das sind Umweltschutz und Antifaschismus. und beide vertreten sie von Beginn an. Das bedeutet aber, dass genau diese Ideale sie angreifbar machen und diese Angreifbarkeit versuchen sich Politiker:innen anderer Parteien zu Nutze zu machen. 

Eigentlich sollte es in einem Wahlkampf darum gehen, die anderen Parteien auf Basis des Parteiprogramms mit den eigenen Themen zu übertrumpfen. Im Moment lautet der Duktus von CDU und Co aber eher: Stets gemütlich auf dem bisherigen Stand verweilen und durch Seitenhiebe hoffen, dass die Grünen dabei kleiner werden. Bis jetzt scheint dies, laut Prognosen, ja auch zu funktionieren. Allerdings kann diese Vorgehensweise auch nur eins bedeuten: Wer nicht mit Inhalten überzeugen kann, der hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einfach keine besseren, als sie bei Bündnis 90/ Die Grünen zu finden sind. Aber bevor wir uns damit auseinandersetzen gucken wir mal lieber, ob wir nicht doch bei Annalena Baerbock noch irgendwas in Richtung Plagiat finden. Das hat ja auch bei Franziska Giffey schon so gut geklappt. 

Armin Laschet soll während seiner Lehrzeit an der RWTH Aachen Noten für Studierende neu vergeben haben, da die eigentlich zu benotenden Klausuren auf dem Postweg verloren gegangen waren. Das ging zwar auch die letzten Wochen durch die Medien, wurde allerdings deutlich weniger beachtet und vor allem aufgebauscht als  alles rund um die Grünen Chefin, können wir ja alle mal einfach für die Wahlen im Hinterkopf behalten.


Wir können uns jetzt fragen, warum das so passiert ist, ob da vielleicht eine Strategie dahinter steckt oder ob wir es doch wieder diese Frauenfeindlichkeit ist, die weiblichen Personen eher die Kompetenzen abspricht, ein Land zu führen. Wir können abwägen was jetzt schlimmer ist, den Lebenslauf etwas aufhübschen oder eventuell die Zukunft von Studierenden zu beeinflussen. Das eigentliche Thema hierbei ist aber ein ganz anderes:

Es geht nicht um Rechts oder Links. Um Grün oder Christlich. Um konservativ oder liberal und auch nicht wirklich um richtig oder falsch. Oder richtiger oder falscher. Es geht um Menschlichkeit. Um Humanismus. 

Es geht um die Frage, warum wir von Politiker:innen erwarten, dass sie genau das verkörpern, was wir selber nicht im Stande sind zu leisten. Selbstverständlich müssen wir unterscheiden, ist es jetzt noch menschlich oder vielleicht schon böse oder niederträchtig, aber diese Dimensionen haben wir bei weitem noch nicht erreicht.

Häufig wünschen sich die Menschen von Politiker:innen doch, sie seien “nahbarer” “näher am Volk” und dann tun sie das menschlichste, was man sich überhaupt vorstellen kann, sie machen Fehler, und genau dann gestehen wir es ihnen nicht zu. Wahrscheinlich war mit “Nahbarkeit” doch eher gemeint, dass Jens Spahn beim Zoomcall seine Pyjamahose anlässt und Claudia Roth mal auf Rollschuhen zum Parteitag düst.


In ihrem gefeierten Roman “Stolz und Vorurteil” schreibt Jane Austen:

“Ich glaube, in jedem Charakterbild gibt es eine Neigung zu irgend etwas Schlechtem - einer angeborenen Schwäche, die selbst die beste Erziehung nicht besiegen kann.”

Also gestehen wir doch jedem seine Schwächen zu. Reden wir über Fehler, na klar. Aber danach müssen wir dann auch endlich wieder zu den wichtigen Inhalten kommen.




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