Es ist ja nun mehr als anstrengend, dass sich unser aller Leben gerade hauptsächlich um Corona dreht und man seit Monaten gar nicht mehr drum herum kommt, weil man sich nicht davon abschirmen kann. Schon in meinem letzten Blogtext habe ich darüber geschrieben, dass ich langsam immer mehr abstumpfe und Nachrichten gar nicht mehr wahrnehme, auf Durchzug schalte und alles irgendwie nicht mehr so aushalte. Aber da wir uns seit heute im zweiten Lockdown des Jahres 2020 befinden, komme ich auch nicht drum herum, den heutigen Beitrag nochmal unter das Zeichen dieser Pandemie zu stellen auch wenn einige jetzt anfangen zu gähnen und das Lesen gleich bleiben lassen (Zum Glück lesen nur um die dreißig Menschen meine Texte). Ich kann das echt verstehen, aber trotzdem kann ich es nicht lassen und muss hier und jetzt eine Lanze für alle Kulturschaffenden da draußen brechen, ich fühle mit euch und trage euch in meinem Herzen.
Vor einiger Zeit habe ich im Rahmen eines Seminars mit dem Titel “Der Essay als Form des Philosophierens” einen Aufsatz geschrieben, der “Die Leiden der jungen Geisteswissenschaftler*innen” hieß (bin immer noch sehr stolz auf den einfallsreichen Titel und werde ihn vielleicht bei Zeiten auch nochmal online stellen, aber er ist recht lang, mehr als vier Seiten in Word). In Diesem Essay ging es um meine Erfahrungen, die ich im Laufe meines Germanistik- und Philosophiestudiums machen musste, genau genommen darum, dass ich sehr schnell gemerkt habe, dass es in unserer Gesellschaft sehr wenig Respekt gegenüber den Geisteswissenschaften gibt. Sie werden oft belächelt, nicht ernst genommen oder als “Die leichten” Wissenschaften bezeichnet. Nicht gerade selten können viele nicht verstehen, was denn so ein Studium bringen würde und die erste Frage, die man häufig gestellt bekommt, ist: Und was macht man dann später damit?
An dieser Stelle möchte ich zwei wichtige Punkte festhalten. Erstens war der ursprüngliche Sinn eines Studiums nicht, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, sondern es ging darum seinen Geist, sein Wissen und damit einhergehend auch seinen Horizont zu erweitern. Zweitens zeigt diese eine Frage genau das Problem auf, welchem auch die Kultur- und Veranstaltungsbranche jetzt im zweiten Lockdown unterliegt. Nämlich, alles was sich in der heutigen Gesellschaft auf den ersten Blick nicht augenscheinlich sofort in das kapitalistische System eingliedern lässt erstmal zweitrangig ist. Wenn man eine Geisteswissenschaft studiert, dann erlernt man in erster Linie keinen Beruf, sondern bildet sich und das widerspricht der Vorstellung, die man von einem vollwertigen Mitglied einer kapitalistischen Gesellschaft hat und wenn man kulturell tätig ist, dann muss man in Zeiten einer Pandemie hinten anstehen, während Fluggesellschaften und andere große Wirtschaftskonzerne auf die Unterstützung des Staates setzen können. Zumal das geisteswissenschaftliche Studium und die Kulturbranche eng miteinander verknüpft sind und viele ehemalige Studierende im Kultur- und Veranstaltungsbereich tätig sind. Dabei geht es aber nicht nur um Geld (natürlich auch, vor allem für FreiberuflerInnen gestaltet sich ein würdiges Leben ohne Einkünfte schwierig), sondern auch um das Fehlen einer Tätigkeit, die Möglichkeit sich Auszudrücken, seiner Berufung nachzugehen, darum sich nützlich zu fühlen, die Leidenschaft auszuleben.
in ihrer Kolumne im Spiegel Magazin schreibt die Autorin Samira El Quassil, dass man vielleicht einfach die Kultureinrichtungen zu Religionen erklären sollte, damit diese, wie auch die Kirchen, weiter öffnen dürfen und damit hat sie Recht. Wir leben in einer Zeit in der, zumindest in unserem Land, Religion immer und immer mehr in den Hintergrund rückt. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus und in Ländern wie Frankreich gilt der Laizismus, also die strikte Trennung von Staat und Kirche (Wann ist es in Deutschland auch endlich so weit?!). Der Mensch ist also per se kein religiöses Wesen. Er ist aber zu gleichen Teilen natürliches und kulturelles Wesen. Er wäre zwar in der Lage ohne Kultur zu überleben, aber die Frage kommt auf, ob dass dann noch menschenwürdig ist, Leben nur um des Überlebens Willen. Ich denke nicht.
Und nichts was die Religion den Menschen bieten kann, kann ihnen nicht auch die Kultur bieten. Ob es um den Gemeinschaftssinn geht, Unterhaltung, Traditionen. Für all das brauchen wir Religionen nicht mehr, weil wir Theater haben und Sportvereine, Museen und Musikschulen und noch vieles mehr. Natürlich ist auch Religion ein Teilbereich der Kultur, aber wir müssen sie endlich als das verstehen, was sie in der heutigen Zeit ist: Ein nettes Hobby. Man kann es betreiben, wenn es einem gefällt, wenn nicht sollte man es bleiben lassen. Man spielt ja auch kein Fußball, nur weil einem die Trikotfarben so gefallen (es sei denn es wären Trikots im Leoprint, dann würde ich da ernsthaft drüber nachdenken). Ich habe übrigens vor einem Menschen im Kirchenvorstand genau so viel Respekt wie vor jemandem, der sich schon seit langem im Sportverein engagiert.
Das einzige was die Kultur eventuell nicht zu bieten hat, ist ein Gott, aber dafür gibt es ja dann die Naturwissenschaften oder Horoskope. In diesem Sinne meine Abschlussworte: Kultur ist systemrelevant!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen