Grüner wirds jetzt!

Die unfassbare Naivität und Blauäugigkeit, mit der Kinder die Welt sehen, ist beeindruckend und manchmal muss ich feststellen, dass sie es damit schaffen, die hochgradig komplexen Strukturen dieses Planeten in ihrer Gänze viel einfacher zu begreifen, als es mir als vermeintlich erwachsener Mensch jemals möglich sein wird.

Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob bei mir in der Familie früher besonders viel über aktuelle Politik debattiert wurde, beim Essen am Tisch oder beim abendlichen Tagesschau gucken, aber soweit ich es sagen kann eher nicht. Überhaupt habe ich erst verhältnismäßig spät ein politisches Bewusstsein entwickelt, so mit achtzehn oder neunzehn Jahren, ganz langsam hat es sich ausgeweitet. Oder um es vielleicht richtiger zu sagen: Mir ist erst sehr spät klar geworden, dass vieles von meiner Meinung, meinen Idealen und Werten, die ich vertrete, politisch waren.

An eines kann ich mich jedoch noch erinnern, nämlich die Zeit, in der Wahlen kurz bevor standen. Vor allem Bundestagswahlen. Wer wird Bundeskanzler oder bleibt Bundeskanzlerin und die damit eingehende große Frage: Rot oder Schwarz? SPD oder CDU? sozialdemokratisch-links oder mitterechts-konservativ? Und darauffolgend, in kindlich-quäkender Stimmlage: “MAAAMAAA! Warum gibt es eigentlich ganz viele unterschiedliche Parteien, aber nur zwei davon haben das Potential, die Wahl zu gewinnen?!”(bin mir ziemlich sicher, das Wort Potential war mir zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht geläufig, aber egal, es handelt sich um ein sinngemäßes Zitat). Daraufhin war erstmal kurz schweigen im Walde. “Naja, das sind eben die beiden größten Parteien.” Diese Antwort stellte mich damals nicht besonders zufrieden. Das ist ja so, als würde man eine Tüte bunte Gummibären verspeisen und jemand würde sagen: “Du darfst alle essen, aber die roten und die schwarzen müssen deine Lieblingssorte sein, weil diese überproduziert wurden!”(auch ein Vergleich, der mir wohl damals noch nicht in den Sinn gekommen ist). Aber schlussendlich akzeptierte ich sie, denn das wird schon seine Richtigkeit haben. Überhaupt habe ich mich als Kind immer viel zu schnell von den Erwachsenen abspeisen lassen, weil ich glaubte, sie müssen ja Recht haben, denn sie sind ja erwachsen und ich bin ja ein Kind und als Kind versteht man manche Sachen eben noch nicht, dafür muss man erst älter werden. 


Jetzt mehrere Jahre später im Jahr 2020 (und auch schon ein bis zwei Jahre vorher) gibt es eine bestimmte Frage, die immer wieder durch die regionalen Zeitungsblätter und die großen Wochenzeitschriften: Was wäre wenn der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin ein*e Grüne*r wird? Die Grünen haben in den letzten Jahren immer wieder enorme Erfolge erzielt, egal ob bei Landtags- oder auch bei den Europawahlen. Die WählerInnen der Grünen sind jung, viele ErstwählerInnen, SchülerInnen, Studierende. Das sind nicht mehr nur die altsechziger Hippies, die Dreadlocks tragen, Bio kaufen und Marihuana rauchen, sondern genau die Menschen, die noch am meisten “Zukunft” auf diesem Planeten haben und diese damit auch unbedingt in ihrer Gänze erhalten wollen mit frischer Luft, grünen Wäldern, Schnee im Winter und einem Sommer, bei dem man die Kinder nicht mit Lichtschutzfaktor 3000 eincremen muss, wenn man nicht auf der Stelle verbrennen will, um es mal etwas provokativ auszudrücken. Und wenn etwas im Feuilleton theoretisch zur Debatte gestellt werden kann, dann kann es doch im Umkehrschluss in der Praxis nicht so utopisch sein, wie wir alle immer gedacht haben oder?


Wir starten in das Jahr 2021 als das Jahr, in dem wir endlich einen Impfstoff gegen das Corona Virus haben, temporal betrachtet. Längerfristig jedoch in Bezug auf die Zukunft dieses Landes und vielleicht sogar des ganzen Planeten starten wird vor allem in ein neues Wahljahr mit dem gleichzeitigen Wissen, dass sich die “Ära Merkel” langsam aber sicher dem Ende neigt. War es gut, war es schlecht, da werden wohl die Meinungen deutlich auseinander gehen, mal abgesehen davon, dass man eine so lange Amtszeit mal nicht eben durch die Einteilung in zwei Kategorien bewerten kann. Ich denke, kurz zusammengefasst, dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich die beste und alternativlose Möglichkeit war, die wir hätten haben können. Dass Ruhe, Besonnenheit und Pragmatismus zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Aber ich denke, dass genau diese Zeit des politischen Realismus jetzt vorbei ist und eine neue Zeit anbricht, in der wieder Platz sein muss für Ideale und Utopien und wir am Ende feststellen werden, dass das alles gar nicht realitätsferne Zukunftsmusik, sondern schon längst möglich ist, wenn wir nur endlich anfangen und aufhören uns immer weiter irrationale Ausreden einfallen zu lassen, warum das nicht geht und dieses nicht möglich ist.


Wir finden es absurd, dass ein Kandidat*eine Kandidatin für die Präsidentschaftswahl in den USA Unmengen an Geldern zur Verfügung haben muss, um überhaupt erst kandidieren zu können, aber wenn ich hier sage: “Dieses Jahr kann das erste Jahr werden, in dem die Grünen den neuen Kanzler oder die neue Kanzlerin stellen, dann werde ich dafür von den meisten belächelt und als naive Idealistin im besten Falle, als linksgrün versiffter Gutmensch im schlechtesten Falle abgestempelt. Was ist bitte so unrealistisch daran zu hinterfragen, ob die Wahl zwischen Rot und Schwarz wirklich die einzige ist, die wir haben? Der fest in unserer Gesellschaft verwurzelte Glaube, nur die größten und etabliertesten  Parteien könnten es schaffen, suggeriert eine Alternativlosigkeit, die in diesem Sinne schlicht und einfach nicht besteht und beeinflusst somit WählerInnen auch auf eine Art und Weise. 

Deshalb lautet mein Vorsatz für das Wahljahr 2021: Mutig sein und nicht auf die Menschen hören, die meine Überzeugungen für Hirngespinste halten. Meine Ideale verteidigen und aufzuzeigen, dass sie nur jemanden brauchen, der sich traut, sie in die Realität umzusetzen. Und jetzt schon damit anzufangen, damit im September erfolgreich in die Bundestagswahlen gestartet werden kann.



Zeit für Idealist*innen!





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