Itzibitztweenieweenie - oder was Feminismus und Bikinis miteinander verbindet

 Heute ist Weltfrauentag oder wie ich es lieber sage: Frauenkampftag. Aber diese Bezeichnung kommt in der Öffentlichkeit nicht so gut an, weil Frauen und Kämpfen in Verbindung miteinander zu erwähnen manchen Menschen immer noch an die Substanz geht. Kämpfen, das machen Frauen nicht, wir bleiben lieber zu Hause und Lackieren uns gegenseitig die Nägel (hab da wirklich so einen neuen Nagellack in Flieder, sieht mega aus, kann ich nur weiter empfehlen). Seit 2020 ist dieser Tag zumindest in Berlin ein Feiertag, das heißt, wir haben frei und das weil wir einen Tag brauchen, um daran zu erinnern, dass es Frauen in vielen Lebensbereichen immer noch strukturell benachteiligt werden und wir deshalb nicht aufhören dürfen, weiterhin dafür zu kämpfen.


In “Die letzten Tage des Patriarchats” schreibt Margarete Stokowski “Ich weiß, es ist schwer. Uns allen hat das Patriarchat tief ins Hirn geschissen, dass Männer mehr wert sind als Frauen, und es ist unglaublich schwer, sich das alles wieder aus dem Kopf zu kratzen.” Und wenn sie schreibt “uns allen”, dann sind damit auch alle gemeint.

Manchmal wird man geboren und ohne es zu wollen, bekommt man ein gewisses Verständnis, eine gewisse Sensibilität mit auf den Weg gegeben, einfach, weil man selber betroffen ist. Frauen haben den Männern voraus, dass es ihnen eher gelingt, sich für Gleichberechtigung einzusetzen, weil sie durch den Umstand ihrer Geburt häufig gezwungen sind, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass man als Mädchen mit einem eingebrannten Stempel auf der Stirn auf die Welt kommt, auf der in Großbuchstaben FEMINISMUS steht. Auch wir haben über Jahre diese Buchstabensuppe in uns hinein gelöffelt, in der diese ganzen Ps und As, Ts, Rs, Is, Cs und Hs drin herum geschwommen sind und es hilft nicht wirklich, sich den Finger in den Hals zu schieben und zu hoffen, dass man sich besser fühlt und endlich sein Ziel erreicht hat, wenn man sich erst einmal ordentlich erbrochen hat. Dass mussten einige von uns wohl auch schon in ihrer Pubertät lernen. Auch wir sind mit Puppenecken sozialisiert wurden, wollten Prinzessin werden, haben Zickenkriege geführt (wohl das einzige Wort in der deutschen Sprache, bei dem es in Ordnung ist, Weiblichkeit und Kampf miteinander in Verbindung zu bringen). Wir haben damit angefangen, uns die Haare an Beinen und Achseln zu entfernen und dann haben wir andere Mädchen und Frauen schräg angeguckt, die es uns nicht gleich getan haben und haben uns gegenseitig ein “Ihhh” zugeraunt. Bevor wir hinterfragen, ob es überhaupt Sinn ergibt, sich vor ein paar Haaren zu ekeln, machen wir andere dafür runter. Eine klares Beispiel für einen falschen Fokus in der Debatte. Anstatt bei dem gesamtgesellschaftlichen Problem anzusetzen, machen wir Einzelpersonen verantwortlich.

Das gleiche Problem kenne ich, wenn Frauen Bilder im Bikini auf Instagram teilen. Wenn wir dann zusammensitzen in einer Frauengruppe: “Hast du gesehen? XY hat ein Bild von sich im Bikini gepostet. Sieht gut aus, aber ICH würde das ja nicht machen!” Ich würde das ja nicht machen oder um es aus dem Neidischen zu übersetzen:”Ich habe das ja nicht nötig!” 

Es ist nicht einfach, ich weiß das nur zu gut, zumal die meisten Frauen, die solche Bilder teilen, dem gängigen Schönheitsideal unserer Zeit entsprechen (Gott sei Dank gibt es da inzwischen viele Gegenbewegungen). Dünn, aber nicht zu dünn, sportlich, aber auf keinen Fall zu muskulös. Kurvig, aber niemals zu kurvig und selbst dann finden sich immer noch ein paar Menschen, die daran etwas auszusetzen haben.

In ihrem Sachbuch “Warum Frauen im Sozialismus besseren Sex haben” arbeitet die Autorin Kristen R. Ghodsee mit der sexualökonomischen Theorie. Diese besagt, dass sich Sexualität, genauso wie viele andere Bereiche unseres Lebens, unserem kapitalistischem System unterordnet. Klingt voll unromantisch, ist aber viel Wahres dran. Sex ist nachdem etwas, was Frauen geben und Männer nehmen und das Angebot bedingt die Nachfrage. Ist Sex einfacher und günstiger zu bekommen als durch Beziehung oder Ehe steigt das Angebot. Prostitution und Frauen, die Sex mit Männenr haben, ohne eine Verbindung einzugehen drücken also den Preis der Ware. Einer der Gründe, weshalb Prostituierte und Frauen, die (häufig) außerpartnerschaftlichen Sex haben, in unsere Gesellschaft immer noch diskriminiert werden. Und auch einer der Gründe, weshalb wir Frauen für Bikini Fotos diskreditieren. Sie stellen das umsonst zur Show, was sonst nur unter Einsatz von Arbeit erblickt werden kann.  Dabei heißt Gleichberechtigung doch, dass jede:r mache kann was er oder sie will, solange die Freiheit anderer nicht eingeschränkt wird (ich weiß, das ist eine Binsenweisheit. Sie ist aber verdammt nochmal wahr). Und das bedeutet eben auch, dass ich Bilder von mir im Bikini ins Internet stellen kann, ohne das irgendwer der Meinung ist, das moralisch bewerten zu müssen. Oder wie Margarete Stokowski es (paraphrasiert) schreibt: Wir müssen dahin kommen, dass wir alle Subjekt sind und Objekt sein können, wenn wir es denn wollen. Und wer mein Tun in irgendeiner Weise herabgewürdigt oder sich darüber stellen möchte, handelt sexistisch. Egal ob weiblich, männlich oder divers in deinem Pass steht. 


Schon Simone de Beauvoir thematisiert in ihrem Jahrhundertwerk zur Rolle der Frau “Das andere Geschlecht”, dass Frauen sich nicht so als Gruppe verstehen, wie es andere Minderheiten tun. “Die Proletarier sagen <<wir>>. Die Schwarzen auch. Indem sie sich als Subjekte setzen, verwandeln sie die Bürger, die Weißen in <<andere>>. Die Frauen sagen nicht <<wir>>,...”. und weiter: ”Die Männer sagen <<die Frauen>>, und diese übernehmen das Wort, um sich selbst zu bezeichnen. Aber sie setzen sich nicht authentisch als Subjekt.” Und in vielerlei Hinsicht hat sie damit immer noch Recht. Solange Frauen sich nicht als einheitliche Gruppe verstehen und sich gegenseitig sexistisch angreifen, führt sich der Feminismus so selbst ad absurdum. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, was wir erreichen können, wenn wir uns als Kollektiv verstehen und zusammenarbeiten. Aber es gibt noch eine Menge zu tun und deshalb müssen wir weiterhin daran arbeiten uns nicht gegenseitig Steine in den Weg zu legen und heute ist der perfekte Tag, um damit anzufangen, wenn man es nicht schon längst getan hat. Und dann können wir alle irgendwann Bikinifotos posten, kurze Röcke tragen oder Kopftuch oder lange Kleider oder ein Wonderwomankostüm. Ach ja und wir können Hausfrau sein oder “Karrierefrau” oder beides zugleich. Und wir können Kinder bekommen oder es sein lassen und Beziehungen führen und heiraten oder eben auch nicht.


Hab heute meine Feministischer-Kampftag-Pose eingeübt!

Beim Einüben meiner Feministischer-Kampftag-Pose!


Kommentare